Chronik
80 Jahre sportliche Entwicklung in unserem Dorf aufzuzeigen, erwies sich als eine lobenswerte und dankbare Aufgabe.
Der Vorstand unseres Sportvereins ließ sich von der Überzeugung leiten, dass die Kuseyer Sportgeschichte es verdient, in Erinnerung gerufen zu werden.
Sie begann 1919.
Der Sport ist und bleibt für viele Menschen immer eine Herausforderung und ein Abbild unserer Kultur. Die edlen Ziele des Sports, die bereits vor mehr als 2000 Jahren begründet wurden, gilt es zu erhalten, damit sich Körperkultur und Sport mit seinen humanistischen Anliegen im Frieden weiter ausprägen und entwickeln können!
Diese Chronik erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die protokollarischen Dokumente beginnen erst mit dem Jahr 1928, die folgenden sind zum Teil lückenhaft. Daher war die Mithilfe von betagten Zeitzeugen unentbehrlich und wertvoll.
Wir nennen Martin Jürges (geb. 1912), Wilhelm Schulz (geb. 1922), Walter Ketthaus (geb. 1924), Erhard Mosel (geb. 1929).
Wilhelm Schulz hat die vorhandenen protokollarischen Aufzeichnungen und Aussagen von diesen und weiteren Zeitzeugen gesichtet und bearbeitet. So entstand diese Sportchronik zum 80. Gründungsjahr unseres Turn- und Sportvereins, auch als Beitrag zu unserer Dorfchronik!
Wir danken dem Sportfreund Wilhelm Schulz für diese umfangreiche Arbeit. Er wurde am 25.10.1938 Mitglied im Kuseyer Sportverein und hat über sechs Jahrzehnte als aktiver Fußballer und Leichtathlet sowie viele Jahre als Vorsitzender und Mitglied des Vorstandes diese Sportgeschichte mitgestaltet und mitgeschrieben!
Kusey, im April 1999
Eberhard Boxhammer | Matthias Mann |
Vorsitzender des TSV 1919 Kusey e.V | Bürgermeister der
Gemeinde Kusey |
1. Die sportliche Entwicklung des TSV 1919 Kusey von 1919 – 1939 (20 Jahre)
Kusey, Köbbelitz und Lupitz waren bis zum Jahre 1950 kommunalpolitisch selbständige Gemeinden. Jedes dieser Altmarkdörfer hatte einen eigenen Bürgermeister, eine eigene Gemeindevertretung, eine eigene Schule, eine eigene Feuerwehr und einen eigenen Friedhof!
Es gab 2 Kirchen!
Am 1. August 1950 wurden Köbbelitz und Lupitz dem damaligen Kreis Gardelegen angegliedert und mit Kusey vereinigt. So entstand die heutige Großgemeinde Kusey. Bis zu diesem Zeitpunkt herrschte in den Dörfern mehr oder weniger „Lokalpatriotismus“. Das traf aber nicht auf dem Gebiet der Vereinsarbeit zu, die von Vereinsmitgliedern der drei Ortschaften gemeinsam unter einer Leitung geplant und gestaltet wurde. Das hat das spätere Zusammenwachsen der drei Gemeinden nach 1950 wesentlich positiv beeinflusst. Einen großen Anteil hieran hatte der Männergesangverein Kusey, der schon 1908 gegründet wurde, denn seit über 90 Jahren kommen die Sänger von „Concordia“ aus den drei Orten zusammen, üben, musizieren und feiern gemeinsam. Sie leisten somit einen hervorragenden Beitrag zur Kulturarbeit in unserer Gemeinde.
Im Sommer 1919 kamen einige junge Männer zu einer Besprechung zusammen, um über die Gründung eines Sportvereins zu beraten. Initiator der Zusammenkunft war der Schmiedemeister August Ketthaus (geb. 1897), damals erst 22 Jahre alt.
Weitere Gründungsmitglieder waren der Bäckermeister Hermann Rommstedt (geb. 1893) und der Kuseyer Ernst Lüders (geb. 1897)!
Schon wenige Wochen später fand die Gründungsversammlung statt.
Der Verein wurde unter folgendem Namen eingetragen:
„Turn- und Sportverein Kusey und Umgebung (TSVK)“
August Ketthaus wurde 1. Vorsitzender, Hermann Rommstedt sein Stellvertreter. Otto Hinze, der 1926 verzog, wurde als Schriftführer gewählt.
August Ketthaus war ein begeisterter Sportler und guter Organisator, der stets zuverlässige und gewissenhafte Sportfreunde für die erfolgreiche Arbeit im Vorstand heranzog und auch begeistern konnte. Dazu gehörten auch z.B. die Lupitzer Friedrich und Heinrich Dettmer.
Friedrich Dettmer, der nach dem Fortgang von Otto Hinze 1. Schriftführer wurde, hat 10 Jahre, bis 1936, in dieser Funktion gearbeitet.
1919 Gründerzeit: 1. v. li. August Ketthaus; Schulze, 3. v. li. Walter Könnig; dahinter Heinrich Dettmer, Lüthe, Seetge, Krähe
Seine zahlreichen Protokolle – im Vorstandsbuch nachzulesen – zeugen von seiner großen Exaktheit und Gewissenhaftigkeit sowie der guten Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift.
Mit gleicher Qualität führte der Kaufmann Adolf Reimann (geb. 1898) ab 1936 bis 1939 die Schriftführertätigkeit aus. Er gehörte bald nach der Vereinsgründung zu den engsten Mitarbeitern und Beratern des Vereinsvorsitzenden.
Heinrich Dettmer war anfangs Turnwart. 1931 wurde er zum Oberturnwart gewählt. Er hat besonders die Turner dieser Sparte erfolgreich angeleitet. Heinrich Dettmer sorgte auch besonders dafür, dass die zahlreichen Turner regelmäßig zu den Übungsabenden kamen und sich weiter in dieser Sportart qualifizierten. Es verging kaum ein Vereinsvergnügen, bei dem die Turner vor dem Tanz ihr Können an den Geräten nicht zeigten.
Walter Könnig (1900), Lupitz, war verschiedene Jahre ein verantwortungsbewusster Kassenführer und schloss jährlich immer mit einem positiven Kassenbestand ab.
Für das Jahr 1929 sah das z.B. so aus:
Jahreseinnahmen: 2173,83
Ausgaben: 2091,46 RM
Bestand: 82,39 RM
Auszug aus dem Vollversammlungsprotokoll in Vorbereitung der Fahnenweihe 1929; Schriftführer Friedrich Dettmer
1930 wurde der jährliche Beitrag von 4 RM auf 6 RM je Mitglied erhöht. Weitere Vorstandsmitglieder waren in den ersten zehn Jahren u. a. Friedrich Schulze, Kusey, Klötzer Straße, als Zeugwart und Gerätewart sowie als Kassenführer Walter Töppke, Kusey / 2. Schriftführer, Wilhelm Lüthe, (Köbbelitz) Fritz Thoms, (Lupitz), Turnwart, Fritz Barnau, (Lupitz).
Als Kassenprüfer waren über mehrere Jahre tätig: Fritz Meine (Kusey), Ernst Lüders (Kusey) und Richard Eggert (Kusey).
Nach der Vereinsgründung und Konstituierung des Vorstandes waren viele organisatorische Aufgaben zu erledigen. Da man 1919 zunächst mit dem Turnen begann, mussten Turngeräte wie Barren, Bock, Reck und Matten gekauft werden. Die Turnabende, einmal wöchentlich fanden auf dem Saal statt, im jährlichen Wechsel bei Fritz Wiechmann (Köbbelitz), der heutige „Braune Hirsch“, Adolf Bammel (Kusey) und Adolf Dobberkau (Lupitz). So wechselten also mit den Gastwirtschaften auch die Vereinslokale.
Ein herausragender Turner war Fritz Fricke (geb. 1913), der 1930 mit 17 Jahren Mitglied des TSVK wurde und schon 1934 die Auszeichnung „bester Volksturner“ im Verein zentral hielt. Fritz Fricke war später auch zahlreiche Jahre in der 1. Fußballmannschaft tätig und von 1960 bis 1964 Vorsitzender des Sportvereins. Er war ein kameradschaftlicher, ehrgeiziger und gewissenhafter Sportfreund.
Größere Probleme hatte der Vorstand mit der Beschaffung und Anlage eines Sportplatzes für „Rasen- und Ballspiele“. Dabei war allerdings nicht so große Eile geboten, denn für die Austragung von Fußball- oder Handballspielen brauchte man doch eine größere Anzahl jüngerer Sportler, etwa im Alter von 20 bis 30 Jahren, aber die Wunden des 1. Weltkrieges (1914 – 1918) waren im Jahre 1919 noch frisch.
Besonders in dieser Altersgruppe hatte der Krieg schmerzhafte Lücken hinterlassen. Von den etwa 190 aus unseren Heimatdörfern zum Kriegsdienst eingezogenen jungen Männern sahen 40 ihre Heimat nie wieder, 14 kehrten mit schweren Körperschäden als Kriegsinvaliden zurück.
So musste man sich in den ersten Jahren auf den Aufbau von Jugendmannschaften im Fußball- und Handballsport beschränken. Männermannschaften gab es erst wieder ab 1921. Der erste Sportplatz entstand 1921 direkt in der Ortslage von Kusey an der heutigen Dr.-Schultz-Lupitz-Straße, zwischen den Grundstücken Gädke/Wapenhans und Koch/Bammel. Die Zwischenbebauung erfolgte erst später.
1926 wurde der Sportplatz zum Lateiner Weg verlegt. Heute befindet sich dort der Standort der Schule und Turnhalle.
hinten 2.v.li.: Wilhelm Könnig („Wasserkönnig“), 2. Reihe links: Martin Jürges, vorn links: Joachim Albrecht, vorn Mitte: Hermann Lamprecht (siehe Faustballmannschaft) Das Bild entstand vor dem jetzigen Wohnhaus Familie Grothe
Von 1919 bis 1939 (bzw. 1942) gab es im Sportverein ein sehr abwechslungsreiches und reges sportliches Leben in folgenden Sparten:
Turnen: 1919 – 1939
Handball:1923 – 1930
Fußball: 1928 – 1942
Faustball: 1928 – 1938
Die 1. Faustballmannschaft 1930 (zweimal Gaumeister) herausragender Spieler war Wilhelm Meyer (4.von links) von links: – August Ketthaus, – ? – , Ernst Eggert, Wilhelm Meyer, Wilhelm Isensee, Hermann Lamprecht, Ernst Lüders Kegeln war von 1921 bis 1939 eine sehr aktive Sparte. Es gab kein Vereinsvergnügen ohne Preiskegeln, bei dem sich besonders die Senioren beteiligten. Ausgekegelt wurden oft Hammel bzw. Reh, Hasen und Kaninchen. Die Kegelbahn befand sich auf dem Saal von Fritz Wiechmann, Köbbelitz, heute „Brauner Hirsch“. Seit Jahrzehnten gibt es in Kusey keine Kegelbahn mehr!
Der 1926 am Lateiner Weg angelegte Sportplatz wurde bald das Zentrum für die Übungs- und Wettkämpfe der vorher genannten Sparten. Auch von den drei damals noch einklassigen Schulen von Kusey (Lehrer Hartmann), Köbbelitz (Lehrer Lustermann) und Lupitz (Lehrer Rohde) wurde er genutzt Nachmittags war er Treffpunkt und „Bolzplatz“ für die Kinder, die dort mit leichten Straßenschuhen bekleidet oder mit Holzpantoffeln, festgebunden an den Füßen, ihre Kräfte maßen.
Der rührige Vereinsvorstand unterstützte den kühnen Vorschlag von August Ketthaus: „Wir könnten doch eine Badeanstalt hinter dem Sportplatz bauen“.
Das war 1928. In den Jahren 1928/29 erbauten die Sportler auch mit Hilfe anderer Dorfbewohner eine kleine Badeanstalt (25 mal 12 Meter, später auf 15 Meter verbreitert). Alle Arbeiten erfolgten ohne technische Hilfsmittel in Handarbeit mit Schaufel und Spaten.
Transportmittel waren eisenbereifte Kastenwagen. Bagger, Radlader u. ä. gab es noch nicht. Das Becken bekam eine Dreiteilung nach der Wassertiefe: Nichtschwimmer, Schwimmbecken (2 Meter tief) und Sprungbecken (5 Meter tief) für das 1-m- bzw. 3-m-Brett. Die Wasserzufuhr für das Becken erfolgte durch einen Tiefbrunnen mit einer Motorpumpe, denn die örtliche zentrale Wasserleitung wurde erst 1938/39 gebaut und versorgte ab 1.8.1939 Kusey, Köbbelitz, Lupitz und Neuferchau mit Wasser.
Ebenfalls wurde im Frühjahr 1929 ein massives Umkleidehaus auch fast nur durch Eigenleistung errichtet. Weiterhin wurde eine Liegewiese angelegt und eine sicherere Umzäunung (hoher Bretterzaun) gebaut. Sportplatz und Bad gehörten dem Sportverein, der sie 1932 wegen finanzieller Schwierigkeiten der Gemeinde Köbbelitz übereignete.
Am 21. Juli 1929 wurde das Bad mit einem großen Schwimmfest eingeweiht. Gleichzeitig wurde eine Sparte „Schwimmen“ gegründet. In den folgenden Jahren wurde jährlich ein Schwimmfest veranstaltet. Wettschwimmen, Kunstspringen vom Ein- und Dreimeterbrett, Tellersuchen, Staffelschwimmen usw. standen auf dem Programm.
Hieran nahmen auch auswärtige Schwimmvereine, z.B. aus Klötze, Bismark oder Tangerhütte, teil. Besonders groß war die Teilnahme der Schüler aus unseren Dörfern und Umgebung an den Schwimmlehrgängen. Fast alle Schüler hatten auf ihrem Abgangszeugnis den Vermerk „Schwimmer“! Ab 1930 nahmen unsere besten Schwimmer auch in anderen Orten an Schwimmwettkämpfen teil. Im Protokoll der Vorstandssitzung vom 8. August 1930 ist zu lesen